Gemeinsame Klage gegen Gesichtserkennung an der Uni Erfurt

*Dieser Beitrag wurde automatisch übernommen und ist keine Veröffentlichung der LAK Bremen.*

Gemeinsam mit einer Studentin erheben wir und die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) heute beim Landgericht Erfurt Klage gegen die Universität Erfurt wegen der bei Online-Prüfungen eingesetzten Kontroll-Programme. Die sogenannte „Proctoring-Software“ setzt unter anderem eine automatisierte Gesichtserkennung und Spyware ein, um Studierende bei Online-Prüfungen zu überwachen. Dadurch greift die Universität unverhältnismäßig in die Privatsphäre der Studierenden ein und verletzt ihre Grundrechte. Die Klägerin musste wie viele Kommiliton*innen weltweit in den ersten Jahren der Corona-Pandemie Online-Prüfungen absolvieren, die Prüfungsleistungen aus der Ferne und ohne Infektionsrisiko ermöglichten. Sie klagt mit Unterstützung der GFF auf Schadensersatz,  um zu klären, dass die umfassende Überwachung – insbesondere die Gesichtserkennung – rechtswidrig war.

„Online-Prüfungen können – vor allem in Pandemiezeiten – eine sinnvolle Ergänzung zu Präsenzprüfungen sein.“, erklärt David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator der GFF und betont: „Dabei darf die Privatsphäre der Studierenden jedoch nicht unter die Räder kommen. Gesichtserkennung und Spähsoftware auf den Rechnern von Studierenden sind unverhältnismäßig und verletzen Grundrechte.“

Wie viele andere staatliche und private Hochschulen sieht auch die Universität Erfurt in einer Satzung vor, dass bestimmte Online-Klausuren videoüberwacht werden. Die Studierenden sollen nicht nur in den eigenen vier Wänden die Kamera aktivieren, die Aufnahmen werden auch aufgezeichnet und automatisiert ausgewertet.

Künstliche Intelligenz  in Form von Gesichtserkennung soll Täuschungsversuche erkennen. Dabei werden sehr sensible biometrische Daten verarbeitet und an das Unternehmen Amazon Web Services übermittelt. Studierende sind zudem verpflichtet, Spyware auf ihren Privatrechnern zu installieren.  Das birgt Gefahren für die IT-Sicherheit, wie ein von der GFF beauftragtes IT-Gutachten zeigt.

„Seit Beginn der Corona-Pandemie wird von vielen Studierenden erwartet, sich bei Prüfungen überwachen zu lassen. Manche müssen sich sogar eine Spähsoftware auf ihren Privatrechnern installieren, da sonst der Hochschulabschluss auf der Kippe steht. Privatsphäre, Datenschutz und IT-Sicherheit werden leichtfertig aufs Spiel gesetzt, obwohl es weit weniger gravierende Eingriffe durch reine Beobachtung und alternative Prüfungskonzepte wie Open-Book-Klausuren und mündliche Examen gibt.“ sagt Rahel Schüssler, Vorstand im fzs.

Die Klägerin wird von den Rechtsanwält*innen Elisabeth Niekrenz und Peter Hense der Kanzlei Spirit Legal vertreten. Mit der Klage will die GFF die zulässigen Rahmenbedingungen für Online-Prüfungen feststellen lassen. Online-Prüfungen waren in der Hochphase der Pandemie notwendig und werden mit der zunehmenden Digitalisierung an Universitäten Teil des studentischen Alltags sein. Die GFF will sicherstellen, dass sich unverhältnismäßige Überwachung nicht etabliert oder gar auf andere Bereiche, etwa den Arbeitsplatz, übergreift.

Weitere Informationen zur Klage und zu vorangegangenen Proctoring-Verfahren sowie das Gutachten finden Sie hier:
https://freiheitsrechte.org/proctoring