Tarifvertrag für alle! TVStud jetzt oder nie!

*Dieser Beitrag wurde automatisch übernommen und ist keine Veröffentlichung der LAK Bremen.*

Einleitung

Studentische Beschäftigte sind das Rückgrat des Wissenschaftsbetriebs in Deutschland. Die mindestens 300.000 Beschäftigten übernehmen Aufgaben in der Lehre über Tutorien und Veranstaltungsbetreuung, in der Forschung über Teilnahme an Forschungsprojekten sowie in der generellen Unterstützung des Betriebs an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Sie sind systemtragender Bestandteil der Personalstruktur vieler Lehrstühle, Institute und Hochschulen.
Ihre Beschäftigungssituation steht dazu in einem Missverhältnis, das wir nicht länger akzeptieren können, weder als Studierendenvertretungen noch als Teil des Wissenschaftsbetriebs im Allgemeinen. Wir bekräftigen daher unsere Unterstützung der bundesweiten Initiative für die Tarifbindung studentischer Beschäftigter (TVStud) und richten uns gemeinsam an Professor*innen, Hochschulen, Länder und Bund, um die untragbaren strukturellen Probleme studentischer Beschäftigung zu transformieren.

Aufbauend auf die Erhebung der Arbeitsbedingungen studentischer Beschäftigter in der Studie „Jung, akademisch, prekär“ (Hopp et al., 2023) identifizieren wir besonders drängende Problemfelder. Dabei stellen wir fest, dass bisher bereits das Fehlen einer offiziellen systematischen Statistik über die Zahl der Anstellungsverhältnisse, deren Ausgestaltung und Dauer eine Grundlage für die prekäre Situation studentischer Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen darstellt, da die empirische Grundlage für zielgerichtete Veränderung fehlte. 

Vertretungslücke schließen!

Nur in vier Bundesländern (Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt) werden studentische Beschäftigte auf jeden Fall durch den Personalrat vertreten. In drei Ländern wird studentischen Beschäftigten eine Vertretung gänzlich verwehrt, in neun weiteren findet sie nur unter bestimmten Bedingungen statt. Um eine effektive Vertretung gewährleisten zu können, ist aktives und passives Wahlrecht unverzichtbar, dieses wird in den meisten Bundesländern jedoch entweder gar nicht oder nur unter Umständen erworben. Vertretung und Wahlrechte werden in der Realität häufig durch gesetzliche Mindestbeschäftigungsdauer versagt, die dem Verbot einer Vertretung gleichkommt. Dabei ist durch die doppelte Abhängigkeit studentischer Beschäftigter an Hochschulen von ihren Vorgesetzten als Arbeitgeber*in und Lehrkraft eine effektive Vertretung besonders dringend geboten. Diese Lücke bedingt zahlreiche der folgenden Missstände mit.

Wir fordern: 

flächendeckender gesetzlicher Anspruch auf Vertretung durch Personalräte und aktives und passives Wahlrecht spätestens nach einem Monat Anstellungsverhältnis.

flächendeckend eigene Personalräte für studentische Beschäftigte.

Kettenkurzbefristung abschaffen!

Studentische Beschäftigte übernehmen oft Daueraufgaben, viele Stellen bleiben über Jahre bestehen. Trotzdem haben fast 50 % der Beschäftigten einen Vertrag für maximal 6 Monate. Es handelt sich dabei um ein Machtinstrument, das Vorgesetzten und Institutionen einseitige Flexibilität und besonders hohe Abhängigkeit sichert. Über 75 % der wiederholt als Hilfskraft Tätigen haben zwei, drei, vier oder mehr Verträge für dieselbe Stelle. Die Beschäftigten befinden sich dadurch in dauerhafter Probezeit, für viele schon rechtlich, für alle aber durch das Damoklesschwert der Vertragsverlängerung. Kurze Verträge und langsame Verwaltungen führen deshalb für min. 17 % zu Arbeit vor oder nach Vertragsbeginn. Diese ist oft unbezahlt und rechtlich nicht abgesichert. Studierende benötigen Flexibilität, angesichts zwei Drittel armutsgefährdeter und armer Studierenden benötigen sie aber insbesondere finanzielle Planbarkeit. Das ist auch notwendig, um wissenschaftsunterstützende Tätigkeiten sozial gerechter zugänglich zu machen und nicht, wie bisher, die ohnehin unterrepräsentierten Studierenden mit niedrigerem familiären Bildungshintergrund hier noch weiter auszuschließen.

Wir fordern:

tarifliche Mindestbeschäftigungsdauer von vier Semestern

den Aufbau von Poolsystemen um studentischen Beschäftigten, die zeitlich begrenzte Aufgaben (z.B. Tutorien) übernehmen auch darüber hinaus sichere Weiterbeschäftigung zu ermöglichen, wenn sie dies wünschen.

Ordentlicher Lohn jetzt!

Löhne für studentische Beschäftigte bewegen sich bereits jetzt vielerorts am oder knapp über dem Mindestlohn. Dies ist insbesondere fehlenden Erhöhungen durch die Länder in den letzten Jahren geschuldet. Die nächsten, deutlich zu geringen, Anhebungen des Mindestlohns wird dazu führen, dass weitere Beschäftigte nur noch Mindestlohn erhalten, bestehende Unterschiede zwischen Personen ohne Abschluss, mit Bachelor oder Masterabschluss werden weiter annulliert. Verglichen mit anderen typischen Studierendenjobs werden diese Stellen zunehmend schlecht bezahlt. Angesichts der prekären wirtschaftlichen Gesamtlage der Studierenden müssen öffentliche Institutionen als Arbeitgeberinnen eine Vorbildfunktion einnehmen, statt billig Arbeitskraft auszubeuten. Durch die Festsetzung der Löhne per Verordnung und der bisherigen Weigerung der Länder, studentische Beschäftigte nach Tarif zu beschäftigen, haben Beschäftigte keinerlei Möglichkeit, höhere Löhne effektiv einzufordern.

Wir fordern:

Tariflohn für alle studentischen Beschäftigten

einen Lohn, der mindestens 20 % über dem Mindestlohn liegt, mindestens aber 15€ pro Stunde ab 2024

Gesetzliche Mindeststandards einhalten!

Signifikante Teile der studentischen Beschäftigten geben an, über Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht, unzureichend oder falsch aufgeklärt zu werden. Viele nehmen ihren Urlaubsanspruch nicht wahr und arbeiten sowohl Urlaub als auch Krankheitstage nach. Viele Beschäftigte leisten zudem unbezahlte Überstunden. Das chaotische System studentischer Beschäftigung ermöglicht systemische Untergrabung absoluter Mindeststandards. Alarmierend ist insbesondere der mangelnde Krankheitsschutz: Über die Hälfte aller Beschäftigten arbeitet regelmäßig Krankheitstage unbezahlt nach. Bei Frauen, inter und nicht-binären Personen liegt diese Quote bei über 60 %, was die gleichstellungspolitische Wichtigkeit der Einhaltung von Mindeststandards in erschreckendem Maß verdeutlicht.

Wir fordern:

Eingehende Untersuchungen jeder Hochschule und außeruniversitären Einrichtung in Kooperation mit den Personalräten und Gleichstellungsbeauftragten über die Zustände an der eigenen Institution.

Arbeitsrechtliche Schulungen für Vorgesetzte und insbesondere Professor*innen.

Verpflichtende schriftliche Informationsweitergabe an alle Beschäftigten über ihre konkreten Rechte, inklusive expliziter Nennung des Urlaubsanspruchs.

Tarifflucht beenden!

Zahlreiche Hochschulen beschäftigen Studierende fälschlich als studentische bzw. wissenschaftliche Hilfskräfte, die reguläre Aufgaben im wissenschaftsunterstützenden Dienst übernehmen und entsprechend bereits jetzt nach Tarifvertrag beschäftigt werden müssen. Diese systematische Tarifflucht ist inakzeptabel und muss sofort beendet werden. Reine Verwaltungsaufgaben, Bibliotheksaufsicht, Veranstaltungsbetreuung u. ä. sind keine wissenschaftlichen Hilfstätigkeiten. Diese Tarifflucht muss nicht nur für die betroffenen Studierenden beendet werden, sondern auch aus Fairness gegenüber nicht-Studierenden, die durch die billigere untertarifliche Beschäftigung von Studierenden keinen Zugang zu den betroffenen Stellen mehr bekommen.

Wir fordern:

Eine eindeutige und allgemeingültige Definition studentischer Hilfskrafttätigkeiten.

Den sofortigen Übergang aller außertarifliche beschäftigten studentischen Angestellten in tarifliche Beschäftigungsverhältnisse nach TV-L.

Finanzielle Kompensation der Hochschulen durch die Länder im Fall signifikanter Mehrkosten.

Die Rolle der Studierendenvertretungen

Als Studierendenvertretungen stehen wir fest an der Seite unserer Komilliton*innen und Kolleg*innen und der bundesweiten Tarifbewegung TVStud. Wir werden sie in der Vorbereitung und während der kommenden Tarifrunde im Rahmen unserer personellen, institutionellen und finanziellen Kapazitäten tatkräftig unterstützen und Selbstorganisation fördern.

Wir nutzen unseren politischen Einfluss auf allen Ebenen des Hochschulsystems – von Hochschulgremien über Landes- zu Bundespolitik -, um den Tarifstreit von außen zu stärken.

Der fzs als Dachverband unterstützt die Arbeit vor Ort durch Konzeptarbeit und Vernetzungsangebote, den zentralen Kontakt zur bundesweiten TVStud Bewegung und den Schulterschluss mit den zuständigen Gewerkschaften.

Wir fordern gemeinsam die Tarifgemeinschaft deutscher Länder auf, ihre Blockadehaltung zu beenden und zielgerichtet über die Tarifierung aller studentischen Beschäftigten zu verhandeln!

Verweise:

Hopp, Marvin/ Hoffmann, Ann-Kathrin/ Zielke, Aaron/ Leslie, Lukas/ Seeliger, Martin (2023): Jung, akademisch, prekär. Studentische Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen: eine Ausnahme vom dualen System regulierter Arbeitsbeziehungen. Bremen: iaw.

Bisherige fzs Positionierungen:

Studentische Armut sichtbar machen und bekämpfen, beschlossen auf der 71. MV in Erfurt https://www.fzs.de/2023/03/12/studentische-armut-sichtbar-machen-und-bekaempfen/

Arbeitnehmer*innenrechte für studentische Beschäftigte und Mitarbeiter*innen an Hochschulen, beschlossen auf der 49. MV in Bremen https://www.fzs.de/2014/03/08/arbeitnehmerinnenrechte-fuer-studentische-beschaeftigte-und-mitarbeiterinnen-an-hochschulen/

Beschlossen auf der 72. MV im August 2023 in Hamburg