*Dieser Beitrag wurde automatisch übernommen und ist keine Veröffentlichung der LAK Bremen.*
Die European Universities Alliances (EUAs) sind ein zentrales Instrument der europäischen Bildungspolitik und sollen die Zusammenarbeit zwischen Universitäten über nationale Grenzen hinweg stärken. Seit ihrer Einführung im Jahr 2018 sind sie stark gewachsen: Aktuell existieren 65 Allianzen mit über 570 Hochschulen aus 35 Ländern, finanziert durch Erasmus+. In 58 dieser Allianzen sind aktuell insgesamt 64 deustche Hochschulen aktiv. Damit ist Deutschland das Land mit der stärksten Beteiligung. Ziel ist es, langfristige strukturelle Veränderungen im Hochschulsystem zu bewirken. Doch während die EU dieses Vorhaben als entscheidenden Schritt in Richtung eines integrierten europäischen Bildungsraums präsentiert, stellt sich die Frage, inwieweit EUAs tatsächlich allen Studierenden, Lehrenden und Forschenden zugutekommen – oder ob sie vor allem ein Prestigeprojekt für bereits privilegierte Institutionen sind.
Der fzs bewertet die aktuelle Initiative als kritisch. Obwohl sie im Zuge der „European Strategy for Universities“ viele neue Impulse und Chancen bietet, birgt sie außerdem die akute Gefahr die Europäische Hochschullandschaft zu einem doppelten Two-Speed-System („System von zwei Geschwindigkeiten“) aus Allianz-Hochschulen und Nicht-Allianz-Hochschulen, sowie aus EHEA Mitgliedern in der EU und EHEA Mitglieder außerhalb der EU im Stil einer EU-weiten Exzellenzstrategie, zu entwickeln. Zahlreiche Probleme die EUAs zu lösen versuchen können durch die Initiative nur punktuell bearbeitet werden, wohingegen eine Stärkung bereits bestehender Projekte, z.B. für Mobiliätsangebote, eine flächendeckende und koordinierte Antwort bereitstellen könnten. Die Ziele der Initiative, wie eine Vereinfachung der Anerkennung von Studienleistungen zwischen verschiedenen, länderübergreifenden Institutionen, sind bereits in der Lissabon-Konvention von 1997 geregelt und werden in der Realität durch die Einführung weiterer Entitäten den ohnehin hürdenreichen Vorgang noch verkomplizieren. Während der Europäische Hochschulraum (EHEA) eine breitere, über EU-Grenzen hinausgehende Vernetzung anstrebt, setzt die European University Initiative (EUI) einen stärker EU-zentrierten Rahmen. Dies führt dazu, dass Hochschulen außerhalb der EU weniger in diese Strukturen eingebunden werden und der gesamteuropäische akademische Austausch an Vielfalt verliert. Finanziell fehlt dem Vorhaben eine langfristige und nachhaltige Förderstrategie. Obwohl es für Institutionen einen Zugang zu weiteren Fördertöpfen ermöglicht, sind die hoch gesteckten Ziele der Initiative mit den aktuell bereitgestellten Mitteln nicht erreichbar und somit sind die Allianzen dadurch stark abhängig von den Fördertöpfen der EU. Hier braucht es zukunftsorientierte Pläne wie die Allianzen langfristig autonomer finanziert werden. Konkrete Ergebnisse der Einführung von EUAs sind gemeinsame Studiengänge, erweiterte Mobilitätswege und institutionsübergreifende Forschungsprojekte, die die Möglichkeiten für stärkere internationale Zusammenarbeit in den Allianzen in Bezug auf Lehre, Mobilität und Forschung aufzeigen. Trotzdessen müssen EUAs als das bisherige Prestige-Projekt der EU, wie sie aktuell bestehen, stetig kritisch hinterfragt werden.
Ein zentraler Aspekt der EUAs ist die Mitbestimmung aller Statusgruppen, einschließlich der Studierenden. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass studentische Beteiligung in vielen Allianzen noch nicht ausreichend strukturiert ist. Oft fehlen demokratische und transparente Auswahlprozesse für studentische Vertreter*innen, sodass ihre Rolle zwar vorhanden, aber oft nur scheinbar mit echter Mitbestimmung verbunden ist. Dadurch besteht das Risiko, dass studentische Perspektiven nicht ausreichend in die Entwicklung der Allianzen einfließen.
Studentische Mitbestimmung:
Die Herstellung und Sicherung gleichberechtigter, studentischer Partizipation innerhalb der Hochschulallianzen ist für eine progressive Entwicklung ebendieser ein entscheidender Faktor. So unterscheiden sich beispielsweise Qualität und Anzahl der Austauschangebote für studentische Vertretungen von Allianz zu Allianz stark. Auch auf europäischer Ebene gibt es kaum Räume für einen Fachaustausch zwischen den studentischen Vertretungen der EUAs, wie es ihn beispielsweise mit der ESU Conference für die Studierendenschaften der Allianzen von studentischer Seite bereits gibt. Vernetzungsangebote zwischen gewählten studentischen Vertretungen wie AStA oder StuRa der jeweiligen Hochschulen mit ihren studentischen Allianzvertretungen finden selten und meist nur auf Initiative der studentischen Gremien statt. Sie haben keine institutionelle Verankerung innerhalb der Netzwerk-, oder Gremienstruktur der Allianzen. Auch die Rückkopplung an die breiten Studierendenschaften der Mitgliedshochschulen findet kaum, bis gar nicht statt. Hauptverantwortlich scheint hier unter anderem das Fehlen von Austauschforen über die politischen studentischen Vertretungen hinaus, sowie ein Mangel an attraktiven Qualifizierungsangeboten für Studierende zu sein. Diese Versäumnisse gilt es auszugleichen, sowohl von Seiten der Allianzen und der EUI, als auch seitens der Studierendenschaften und ihrer bundesweiten Vertretung durch den fzs. Insbesondere studentische Bildungsträger sollen hierbei für Kooperationen in den Fokus gerückt werden. Beispielsweise kann hier durch die Allianzen an die bestehende Zusammenarbeit des fzs mit dem studentischen Akkreditierungspool oder der ESU angeknüpft werden.
Für eine gelungene systemische Verankerung studentischer Mitbestimmung in den europäischen Hochschulallianzen fordern wir:
- Jährliche Austauschangebote für die studentischen Vertretungen innerhalb der Allianzen, in der Bundesrepublik und auf europäischer Ebene
- Schaffung und Verstetigung von Austausch zwischen studentischen Allianzvertretungen und den jeweiligen gewählten studentischen Vertretungen der Hochschulen
- Unterstützung und Stärkung der „Conference of the student bodies of the European alliances of HEI“ von ESU
- Kooperation mit studentischen Bildungsträgern, um bedarfsorientierte und reichweitenstarke Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote für Studierende zu schaffen
Finanzen:
Um eine nachhaltige Partizipation von Studierenden vor allem in den Entscheidungsprozessen der Allianz zu gewähren, darf der ehrenamtliche Charakter des Engagements der beteiligten Studierenden nicht ausgenutzt werden. Die Möglichkeit der Mitsprache und vollumfänglichen Beteiligung darf Kapazitäten bzw. dem Vorwand einer Entlastung unter keinen Umständen zum Opfer fallen. Analog zu anderen Statusgruppen, braucht es strukturelle Lösungen, um das Engagement der Studierenden auszubauen, zu bewahren und zu unterstützen. Ergeben sich im Rahmen der studentischen Beteiligung (bspw. administrative) Aufgaben und Tätigkeiten, sind die Hochschulen als Mitglieder der Allianz angehalten, personelle Ressourcen in ausreichendem Maße zu Verfügung zu stellen. Das ehrenamtliche Engagement von Studierenden, welches meist weit über den Rahmen der Vollzeitbeschäftigung Studium hinausgeht, darf nicht als prekäre Beschäftigung im Sinne eines Arbeitsverhältnisses ausgenutzt werden. Formen von Aufwandsentschädigung für dieses Engagement werden grundsätzlich begrüßt, jedoch nur, wenn die Unabhängigkeit der studentischen Vertreter*innen gewahrt bleibt.
Jegliche Kosten, die im Zuge der Beteiligung von studentischen Vertreter*innen anfallen, sind in vollem Umfang und vor ihrer Fälligkeit durch die Hochschulen als Mitglieder der Allianz oder die Allianz selbst abzudecken. Es kann von Studierenden nicht erwartet werden, dass sie für etwaige Reisen und Veranstaltungen in Vorleistung gehen.
Für eine nachhaltige Beteiligung von Studierenden in europäischen Hochschulallianzen fordern wir:
- Ehrenamtliches Engagement nicht als prekäre Beschäftigung im Sinne unentgeltlicher Arbeit auszunutzen und bei intensivem Zeitumfang für Studierende entsprechende Beschäftigungsverhältnisse unter dem Gebot der unabhängigen Mitsprache anzubieten
- Zur Vorbeugung von Ausbeutung soll den involvierten Studierenden eine Möglichkeit der Zeiterfassung angeboten werden (d.h. bspw. Zugriff auf entsprechende Tools der Hochschule)
- Sämtliche Kosten zur Ausübung der studentischen Interessensvertretung innerhalb der Allianz und darüber hinaus sind von den Hochschulen nach gleichen Maßstäben wie für weitere Hochschulmitglieder (Beschäftigte, etc.) sicherzustellen und vor Fälligkeit zu leisten.
Politisches Verständnis:
Unser Verständnis von Mitbestimmung geht dabei jedoch über reinen Austausch hinaus. Die Beteiligung Studierender darf niemals Selbstzweck sein, sondern beinhaltet immer einen politischen Anspruch. Derzeit erleben wir wie bestimmte, bequeme Studierende zu Vertreter*innen erklärt und mit Reisen und anderen Benefits eingelullt werden. Diese Entpolitisierung studentischer Beteiligung sehen wir als große Gefahr für die Vertretung der tatsächlichen Interessen der Studierenden in den europäitschen Hochschulallianzen an. Um dem entgegen zu wirken bedarf es echter Mitbestimmung durch gewählte Vertreter*innen, welche allein durch die jeweiligen Studierendenschaften bestimmt werden. Darüber hinaus ist immer auch die Beteiligung der jeweiligen lokalen Studierendenvertretung mitzudenken.
Für echte politische Mitbestimmung der Studierenden in den europäischen Hochschulallianzen fordern wir:
- Tatsächliche Mitbestimmung in den Gremien der Hochschulallianzen durch demokratisch gewählte Vertreter*innen aus den jeweiligen Studierendenschaften
- Die Beteiligung der lokalen Studierendenvertretungen, sowie Austauschgremien für die Studierendenschaften der Mitgliedshochschulen untereinander
75MV-I09 "Studentische Mitbestimmung in den Hochschulallianzen stärken!" beschlossen auf der 75. Mitgliederversammlung