*Dieser Beitrag wurde automatisch übernommen und ist keine Veröffentlichung der LAK Bremen.*
Der AfD-Professor Reiner Osbild ist mit der Klage gegen seine ehemalige Studentin Bjeen Alhassan gescheitert. Das Landgericht Hamburg wies die Klage auf 25.000 Euro Schmerzensgeld wegen kritischen Äußerungen der kurdischen Integrationspreisträgerin ab.
Bjeen Alhassan ist aus Syrien geflohen und lebt seit 2014 in Deutschland. 2016 begann sie an der Hochschule Leer/Emden ein Studium, das sie 2019 mit einem Master in Business Administration abschloss. Sie betreibt ehrenamtlich mit dem Verein “Transfer of Knowledge” das Projekt „Lernen mit Bijin“, eine Facebook-Gruppe, in der sie Frauen aus Syrien Tipps für den Alltag in Deutschland gibt. Hierfür wurde sie 2020 mit dem Nationalen Integrationspreis der Bundesregierung und 2021 mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
Reiner Osbild ist Professor an der Hochschule Emden/Leer und sah sich in den letzten Jahren als Vorsitzender der AfD Ostfriesland, obwohl unklar ist, ob er wirksam in dieses Amt gewählt wurde. In der Vergangenheit ist er unter anderem durch rassistische und christlich-fundamentalistische Äußerungen in Erscheinung getreten.
Nach Abschluss des Studiums äußerte sich Bjeen Alhassan in verschiedenen Medien sowie über Social Media über Diskriminierung an der Hochschule und ihre Erfahrungen mit Professor Osbild, der ihre Masterarbeit betreut hatte. Osbild klagte daraufhin gegen seine ehemalige Studentin vor dem Landgericht Hamburg auf 25.000 Euro Schmerzensgeld. Außerdem verlangte er von Alhassan, einzelne Äußerungen zu unterlassen. Konkret beanstandete er die Äußerung Alhassans, sie habe an der Hochschule Emden/Leer mit Osbild Diskriminierungserfahrungen gemacht, und die Äußerung, es habe ihr bei der Note geschadet, dass ihr Erstprüfer bei der Masterarbeit AfD-Vorsitzender gewesen sei.
Das Landgericht wies die Klage vollständig ab. Zur Begründung führte es aus, dass es dem Kläger nicht lediglich um die Untersagung bestimmter Äußerungen in einem bestimmten Kontext, sondern weitergehend darum ging, der Beklagten zu untersagen, mit entsprechenden Äußerungen einen bestimmten Eindruck zu erwecken, ohne auf den jeweiligen Kontext der Äußerungen abzustellen. Ein so weit gehender Unterlassungsanspruch wäre nach Auffassung der Kammer nur denkbar bei Äußerungen, schlechthin und in jedem denkbaren Zusammenhang unzulässig sind, was hier aber nicht der Fall sei. Aus diesem Grund scheide auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus.
Zu dem Urteil erklärt Bjeen Alhassan:
„Nach einem nervenaufreibenden Rechtsstreit kann ich endlich aufatmen. Das Landgericht hat bestätigt, dass ich über meine Diskriminierungserfahrungen sprechen darf. Ich hoffe, dass ich andere Betroffene von Diskriminierung ermutigen kann, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Rassismus darf keinen Platz an Hochschulen haben.“
Rechtsanwalt David Werdermann erklärt:
„Das Urteil ist ein Erfolg für die Meinungsfreiheit, die aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist. Professor Reiner Osbild ist mit dem Einschüchterungsversuch gegen seine ehemalige Studentin gescheitert. Der Fall zeigt exemplarisch, wie die AfD, die sich sonst gerne als Opfer einer angeblichen ‚cancel culture‘ inszeniert, selbst versucht, Kritiker*innen mundtot zu machen.“
Daryoush Danaii, Vorstandsmitglied im freien zusammenschluss von student*innenschaften (fzs e.V.), erklärt:
„Zu oft wird geschwiegen, zu oft werden Diskriminierungen und Rassismus unter den Teppich gekehrt, auch von Hochschulleitungen. Die Hochschulen und die hochschulpolitischen Organisationen sowie Institutionen selbst müssen sich der Realität stellen und Rassismus und Diskriminierung bekämpfen. Wir sind froh, dass Bjeen Alhassan den Mut hatte, über ihre Erfahrungen zu sprechen und freuen uns mit ihr über das Urteil des Landgerichts.“
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Reiner Osbild kann Berufung einlegen.
Bjeen Alhassan hat wegen des Rechtsstreits viel Unterstützung erfahren. Zahlreiche Einzelpersonen und Verbände wie der freien zusammenschluss von Student*innenschaften (fzs e.V.) haben sich solidarisch erklärt und eine Kundgebung vor dem Landgericht Hamburg organisiert. Zudem wurden Spenden in Höhe von mehreren tausend Euro gesammelt. Da Professor Osbild die Kosten des Rechtsstreits zahlen muss, kann voraussichtlich ein Großteil der Spenden – wie angekündigt – an die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Niedersachsen weitergeleitet werden, die unter anderem den Aufbau der AG gegen Rechts an der Hochschule Emden/Leer unterstützt hat.
Für Rückfragen stehen Rechtsanwalt David Werdermann unter 015128409601 und Daryoush Danaii unter 015120942563 zur Verfügung.