*Dieser Beitrag wurde automatisch übernommen und ist keine Veröffentlichung der LAK Bremen.*
Der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) haben die Bundesregierung dringend gemahnt, eine grundlegende Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) noch in diesem Jahr auf den Weg zu bringen. Die beiden Organisationen gehen auf Grundlage einer Stellungnahme des Hamburger Rechtsanwaltes Joachim Schaller (s.u.) davon aus, dass das BAföG in seiner aktuellen Form nicht verfassungskonform ist.
„Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits im Mai 2021 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der BAföG-Bedarfssätze für Studierende angemeldet und das Bundesverfassungsgericht angerufen. In der Zwischenzeit haben Inflation und Mietpreissteigerungen die Ausbildungs- und Lebenshaltungskosten weiter in die Höhe getrieben. Das BAföG ist zum Wintersemester 2022/23 aber gerade mal um 5,75 Prozent erhöht worden. Hinzu kommt die Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge zum 1. Juli 2023, für die es im BAföG keine Anpassung gibt, sowie die zum 1. Januar 2024 geplante Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge. Die Bundesregierung sollte der absehbaren Klatsche aus Karlsruhe zuvorkommen und jetzt die Weichen für eine BAföG-Reform stellen“, sagten fzs-Vorständin Rahel Schüssler und der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller, am Donnerstag in einer Online-Pressekonferenz. Fzs und GEW hatten die Stellungnahme gemeinsam mit Anwalt Schaller gegenüber dem Bundesverfassungsgericht abgegeben.
Schaller, der die Klage einer Studentin gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht geführt und so die
Überprüfung des BAföG durch das Bundesverfassungsgericht initiiert hat, erläuterte: „Der BAföG-
Bedarfssatz beträgt für Studierende 452 Euro zuzüglich einer Wohnpauschale von 360 Euro, wenn diese nicht bei den Eltern wohnen. Diese insgesamt 812 Euro sind 118 Euro weniger als der Unterhaltsbedarfs-satz nach der Düsseldorfer Tabelle, der 930 Euro beträgt, und 97 Euro weniger als das steuerliche Existenzminimum von 909 Euro. Die BAföG-Bedarfssätze verstoßen gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums und verletzen darüber hinaus die Grundrechte der Berufswahlfreiheit und das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes.“
Schaller monierte, dass der Gesetzgeber „kein transparentes und sozialstaatskonformes Verfahren“ zur regelmäßigen Anpassung der Bedarfssätze im BAföG verankert habe. „Da die BAföG-Bedarfssätze seit Inkrafttreten des Gesetzes 1971 nur sehr unregelmäßig und unvollständig angepasst worden sind, ist die Schere zwischen dem studentischen Existenzminimum und den gesetzlichen Bedarfssätzen immer größer geworden – und auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr verfassungskonform“, sagte der Rechtsanwalt.
„Seit Anfang 2023 betrug bei selbst krankenversicherten Studierenden unter 30 Jahren die Differenz zwischen dem BAföG-Bedarfssatz für Kranken- und Pflegeversicherung und den durchschnittlichen Beiträgen 1,59 Euro. Diese steigt zum 1. Juli 2023 für die meisten Studierenden auf 6,46 Euro, ohne dass im BAföG eine Anpassung erfolgt. Für kinderlose Studierende über 30 Jahre vergrößert sich die seit Anfang 2023 bestehende Lücke von 9,02 Euro zum 1. Juli 2023 auf 15,81 Euro. All das muss auch aus dem BAföG-Bedarfssatz von nur 452 Euro finanziert werden. Der Regelbedarf in der Grundsicherung (Bürgergeld) für Alleinstehende beträgt dagegen 502 Euro.“ Es gebe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bedarf von Studierenden niedriger liege. „Im Gegenteil: Sie müssen aus dem BAföG-Bedarfssatz nicht nur ihren Lebensunterhalt, sondern auch ihre Ausbildungskosten finanzieren. Die BAföG-Bedarfssätze sind evident verfassungswidrig“, betonte Schaller.
fzs-Vorständin Schüssler mahnte: „Es ist ein Skandal, dass der BAföG-Bedarfssatz hinter dem
Existenzminimum zurückbleibt. Wir brauchen noch zum Beginn des Wintersemesters 2023/2024 eine
BAföG-Reform, die die Bedarfssätze für Studierende in einem ersten Schritt auf eben dieses anhebt,
also auf mindestens 930 Euro zuzüglich eines kostendeckenden Zuschusses für die Pflege- und
Krankenversicherung. Darüber hinaus fordern wir die Verankerung eines transparenten Verfahrens
zur qualifizierten Ermittlung der Bedarfssätze und ihrer regelmäßigen Anpassung an die Ausbildungs-
und Lebenshaltungskosten.“
Noch in dieser Wahlperiode müsse die Ampelkoalition außerdem ihr Versprechen einer Strukturreform der Ausbildungsförderung einlösen, unterstrich GEW-Hochschulexperte Keller: „Dazu gehören die Anpassung der Förderdauer an die tatsächlichen Studienzeiten, die herkunftsunabhängige Ausgestaltung des BAföG, die Streichung aller Altersgrenzen, die Wiedereinführung des Regelförderung von Schülerinnen und Schüler ab der Sekundarstufe I und perspektivisch die Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung zu einem elternunabhängigen staatlichen Studienhonorar.“